Süßer Baum

Ahorn sind Bäume, deren Samen sich aufgrund eines kleinen Flügels drehen, wenn Sie vom Baum fallen. Irgendjemand war dann der Meinung, sie sähen aus wie Hubschrauber.
Ahronsirup dagegen, war für mich immer irgendwas, was sich amerikanische Grinsekinder aus dem Fernsehen auf ihre Pfannkuchen gießen. Den Zusammenhang „Baum“ und „Süß“ hab ich nie so recht erkennen können. Ich schien nicht der Einzige mit diesem Problem zu sein, denn eine deutsche Eiscremefirma nannte eine ihrer Geschmacksrichtungen „Maple-Walnut“, wohl weil die breite Masse der Bevölkerung mit „Ahorn-Walnuss“ als Geschmacksrichtung wohl soviel hätte anfangen können, wie mit „Eiche-Kirsch“ oder „Birke-Mandel“.

Schläuche

Zu den vielen Dingen, denen ich hier drüben zum ersten mal  habe beiwohnen können, gehört auch das Ahornsirupkochen.
Anders als bei zum Beispiel Himbeersirup erhält der Ahornsirup nicht nur den Geschmack aus dem Baum, sondern auch -und vor allem- die Süße.

Die Provinz Québec und Ihre Umgebung ist dank des hier wachsenden Zuckerahorns Acer saccharum und passender klimatischer Bedingungen praktisch die einzige Gegend auf der Welt, in der der Sirup hergestellt wird. Damit angefangen haben schon die Irokesen lange vor der Kolonialisierung, der Überlieferung nach wurden sogar Feste zu Ehren des heiligen Baumes abgehalten.
Im späten Winter, wenn die Temperatur tagsüber schonmal den Nullpunkt überschreitet, wird angezapft: Ausgerüstet mit Akkubohrer, Hammer und Alkohol zum desinfizieren stapft man auf Schneeschuhen von Baum zu Baum der érablière, bohrt vorsichtig ein Loch und hämmert eine Tülle hinein. Früher hing direkt daran einen Eimer zum Auffangen des herraus sickernden Ahornwassers, das zu dieser Jahreszeit einen kleinen Anteil an Zucker hat. Heute werden die Bäume an Schlauchleitungen angeschlossen, die sich dann kreuz und quer durch den Wald spannen. Die blauen Plastikschläuche enden in Sammelbehältern. Probiert man das Wasser, ist es kaum süß. Die Weiterverarbeitung erfolgt in den cabanes à sucre oder englisch sugar shacks: Längliche Häuser mit mächtigen Holzöfen, auf dem das Ahornwasser stundenlang in langen Wannen eingekocht wird. Typisch sind die großen Dachhauben, aus denen der Dampf entweichen kann. Aus einem Liter Ahornwasser wird ein kleines Schnapsglas voll Sirup (ca 40:1). Um die dafür nötigen Mengen Feuerholz gering zu halten, gibt es mittlerweise Geräte mit Umkehrosmose, die das Wasser stark mit Zucker anreichern, bevor es gekocht wird. Beim Kochen karamellisiert der Zucker im Wasser, was unter anderem den Geschmack des Sirups ausmacht.
Der ist leicht mineralisch-holzig-karamellig-süß. Vor allem weil der Geschmack nicht so dominant ist, wie der von Honig, kann man ihn prima zum kochen verwenden.

In Dosen

Der scharfsinnige Beobachter erahnt schon beim Betrachten der kanadischen Flagge die kulturelle Bedeutung des Baumes. Die Provinzen im Osten waren die ersten, die sich 1867 gemeinsam Kanada nannten. Hier ist der Baum besonders verbreitet, und gerade im Herbst mit seinen leuchtenden Farben landschaftsprägend.
Das Holz des Ahorn wird von Handwerkern aufgrund seiner Härte geschätzt, ausserdem brennt es heisser und länger als Nadelholz. Die Bedeutung als Brennholz war angesichts des kanadischen Winters sicher recht groß bei der Wahl des Wappenbaumes. Größer ist dennoch die kulinarische Bedeutung: Weder in der Haute-Cuisine noch in trendigen Mikrobrauereien oder in bodenständigen Gaststätten kommt man vorbei an dem eingedampften Baumsaft. Touri-Giftshops sind voll von zig Variationen: Ahornbutter, Ahornzucker, Ahornbonbons, Ahornwhisky, Ahornsonstwas, der Zuckerahorn ist der Stolz der Nation. Otto-Normalkanadier benutzt den Sirup wie die Grinsekinder aus dem US-Fernsehen: Am liebsten auf Pfannkuchen. Wer es einmal probiert hat (Rezept!), weiss warum.

3 Gedanken zu „Süßer Baum“

  1. Ja, kannst Du. In Sibirien macht man das mit Birken. In beiden Fällen ist der Zuckergehalt recht gering, so dass Du es ewig lange kochen musst. Eventuell schmeck das Ergebnis dann auch ein wenig zu verbrannt. Hab ich aber noch nicht probiert.

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