China//Internet

Dass die chinesische Führungsriege den Nutzen des Internets besser verstanden hat, als man das von den meisten deutschen Politikern behaupten kann, habe zum ersten mal bemerkt, als ich mit einem inneren Grinsen die Broschüre „Das Internet in China“*aus einem Infoständer im Visabüro der chinesischen Botschaft in Hamburg zog. Diese Broschüre berichtet ausführlich und in stolzem Ton von dem Erreichen des Plansolls in Sachen Netzausbau und Netzabdeckung für mobiles Internet, vor allem in ländlichen Gebieten**. Die Zensur wurde nur in einem kurzen Absatz erwähnt; sinngemäß hieß es, dass es die chinesische Führung für nötig hält, das Angebot des Internets einzuschränken. Stimmt wohl.

In China spricht man auch gerne von der Harmonisierung des Internets oder dem Goldenen Schild. Wenn es um blumige Neusprech-Kreationen geht, macht den chinesischen Propagandabehörden so schnell keiner was vor. Da ich nicht besonders qualifiziert bin, mich über die technische Seite der Zensurinfrastruktur auszulassen, werde ich nur aus der Sicht eines Nutzers berichten. Dass es in China eine Zensur des Internets gibt, war mir die ganze Zeit klar, allerdings nicht das Ausmaß derselben. Um es kurz zu machen, das Internet ist zu sehr weiten Teilen wie gewohnt nutzbar: Onlinebanking, Flugbuchungen, Webzugriff auf Emailprovider oder Google.de sind (fast) kein Problem. Auch wenn die Seiten der deutschen und internationalen Presse in der Regel erreichbar sind, der ungehemmte Informations- und Meinungsaustausch wird zu verhindern versucht:

Folgende, mir wichtige Seiten oder Services sind nicht erreichbar (unter vielen anderen):

  • twitter
  • facebook
  • youtube
  • die Domain des Chaos-Computer-Clubs
  • der download vom Verschlüsselungsprogramm Truecrypt
  • der Mailversanddienst von GMX (SMTP)
  • temporär die Seiten von BBC oder CNN oder anderen westlichen Medien (vermutlich solange unbequeme Nachrichten auf der Startseite erscheinen)
  • picasa

Folgende wichtige Seiten sind nur teilweise zu laden oder auffällig langsam:

  • Wikipedia
  • flickr.com
  • die Mediathek der öffentlich-rechtlichen

Gerade durch den erschwerten Zugriff auf Nachrichten, Magazinsendungen und Dokumentationen via Youtube und Mediathek fühle ich mich besonders gepiesackt, sind diese doch sonst so bequeme Informations- und Bildungsquellen.

Parallelgesellschaft

Das Gros der Chinesen nimmt das Internet gar nicht so sehr als zensiert war, denn es gibt ein chinesisches Google (Baidu), ein chinesisches Facebook (Renren), ein chinesisches Ebay (TaoBao), ein chinesisches ICQ (QQ),  ein chinesisches Youtube (Tudou) und neuerdings ein chinesisches Twitter, betrieben und harmonisiert von der Regierung. Der Messengerdienst QQ ist dabei so beliebt, dass man von jungen Leuten eher nach seiner QQ-Nummer als nach seiner Handynummer gefragt wird.

Jumping the Wall

…so nennen es chinesische Bekannte, wenn Sie ihre nationale Great Firewall hinter sich lassen um unharmoniesierte Datenwelten zu bereisen. Was Sie dort machen, habe ich noch nicht gefragt. Aus Angst diese in Verlegenheit oder Schwierigkeiten zu bringen, verkneife ich mir in der Regel Fragen zu politischen Themen, zumal diese auch bei ungeschickter Formulierung als westliche Überheblichkeit durchgehen können. (Der Konfuzianist kehrt erstmal vor der eigenen Haustür…) Offensichtlich lässt sich der Meinungsaustausch im harmonisierten Netz auch nicht ganz verhindern, wie dieser Artikel zu berichten weiß.

Die gängigen Mittel, über die Mauer zu springen, sind bei den Deutschen natürlich VPNs, also verschlüsselte Tunnel, deren Ausgänge an deutschen Knotenpunkten liegen, meist den Unis. In meinem Fall ist mein Uni-Netz so beschränkt und verstümmelt, dass es vollkommen unbenutzbar ist, daher hab ich meinen eigenen VPN-Knoten ohne Restriktionen, dafür mit sehr überschaubarer Bandbreite (DSL-Upstream). Eine weitere Alternative sind werbegespickte Tunnelseiten (vtunnel.com) oder kostenpflichtige VPN-Anbieter wie Swiss-VPN (Gröߟenordnung 6€/Monat). Bei einer armseligen Bandbreite -also in meinem Fall- bietet sich für den Youtube-Konsum ein Download-Plugin für die Videos an, um gemütlich im Hintergrund laden zu können.

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*) Die Broschüre liegt beim Verfassen dieses Textes nicht vor, Angaben zu Namen und Inhalt sind aus dem Gedächtnis rezitiert.

**) Das die Broschüre hier nicht lügt, zeigt sich an einer Eigenheit: der mobile Onlinezugriff (Kosten ca 2€ für 150MB pro Monat) scheint besser zu sein, wenn man sich von den strukturstarken Ballungsräumen wegbewegt. Vielleicht liegt das daran, dass die dort plangemäß aufgebaute Infrastruktur nicht so überlastet ist, wie in den Großstädten mit ihren vielen, reichen HTC- und iPhone-Besitzern. Soweit ich mich erinnere, verhält es sich mit der Netzqualität Deutschland eher umgekehrt… jedenfalls bekommt man was für sein Geld, flickr ist über das mobile Netz ohne Probleme zu erreichen,  im Kabelnetz ist das nicht der Fall.