Archiv der Kategorie: Kanada

Ich bin Ausländer

Aus gegebenem Anlass reihe ich mich ein in die Stimmen gegen den widerwärtigen Hass des braunen Pöbels, der zurzeit die Medien beherrscht. Leider kann ich aufgrund geografischer Hindernisse nicht mehr beitragen zu dem solidarischen, toleranten und hilfsbereiten Deutschland, dessen ich mich nicht schämen müssen will.

Free hugs?

Das zuvor erwähnte geografische Hindernis ist der Atlantik, denn ich lebe zu Zeit in Kanada. Das Ganze ist für mich ein Abenteuer, eine Herausforderung. Ich werde belohnt mit der gastfreundlichen Art, ich profitiere von der Liebe zu gutem Essen und Trinken, der Musik und der Kunst, die so anders und unbeschwert gelebt wird. Ich bewundere und genieße das Leben nahe der Natur, einer gigantischen, wilden und oft unberührten Natur, wie es sie zu Hause in Mitteleuropa seit mindestens 1000 Jahren nicht mehr gibt. Die Familie und Freunde meiner Freundin empfangen mich mit einer Offenheit und Herzlichkeit, die nicht für möglich gehalten hätte.

Trotzdem, es kehrt der Alltag ein, die Urlaubsstimmung der ersten Wochen verfliegt, ich denke an Freunde, Sprache und Kultur, die ich für ein paar Jahre zurückgelassen habe. Es vergeht kaum eine Woche, in der ich mich -wenigstens für ein paar Stunden- zurückwünsche zu meinem mürrischen Dönermann an der Ecke, den brummenden Menschenmassen sommerlicher Festivals und vor allem zu meinen Freunden, die verstehen, wenn ich eine Fernsehsendung aus der Jugend zitiere, die denken wie ich, und mit denen ich erlebt habe, was mich prägte, was uns zusammen zu dem machte, was wir sind.

Ich denke an das und fühle mich schwermütig. Schwermütig, weil ich nicht alles Gute zur gleichen Zeit haben kann. Wie verdammt widerlich privilegiert ich bin, im Vergleich zu denen, deren Heimat in Trümmern liegt, beherrscht von einer wahnsinnigen Mörderbande. Deren Freunde vielleicht unter diesen Trümmern liegen, oder auf dem Grund des Mittelmeers. Die in Deutschland wenige offene Arme vorfinden, bestenfalls offene Turnhallen, und deren Weg in die Normalität noch lang sein wird.

tl;dr: Ich verließ meine Heimat unter den besten Voraussetzungen, und für mich ist es oft schwer. Wie schwer muss es für Kriegsflüchtlinge sein?

Süßer Baum

Ahorn sind Bäume, deren Samen sich aufgrund eines kleinen Flügels drehen, wenn Sie vom Baum fallen. Irgendjemand war dann der Meinung, sie sähen aus wie Hubschrauber.
Ahronsirup dagegen, war für mich immer irgendwas, was sich amerikanische Grinsekinder aus dem Fernsehen auf ihre Pfannkuchen gießen. Den Zusammenhang „Baum“ und „Süß“ hab ich nie so recht erkennen können. Ich schien nicht der Einzige mit diesem Problem zu sein, denn eine deutsche Eiscremefirma nannte eine ihrer Geschmacksrichtungen „Maple-Walnut“, wohl weil die breite Masse der Bevölkerung mit „Ahorn-Walnuss“ als Geschmacksrichtung wohl soviel hätte anfangen können, wie mit „Eiche-Kirsch“ oder „Birke-Mandel“.

Schläuche

Zu den vielen Dingen, denen ich hier drüben zum ersten mal  habe beiwohnen können, gehört auch das Ahornsirupkochen.
Anders als bei zum Beispiel Himbeersirup erhält der Ahornsirup nicht nur den Geschmack aus dem Baum, sondern auch -und vor allem- die Süße.
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Nicht Ohne: Winter

Das in Kanada im Winter Schnee fällt, ist soweit nichts Neues. Was aber ein richtiger Winter ist, hatte ich mir nie klargemacht. In einer beispiellosen Materialschlacht tritt der Mensch an gegen Kälte, Eis und Schnee. An seiner Seite die Macht des Dieselmotors und Millimeter dicken Stahls.

Snow Mobile Crossing

Herbst – Winter is coming.

Bei den Autowerkstätten und Reifenspezis reihen sich die Autos auf. Fleißige Studentenhände schleppen die Winterreifen aus den Lagern und bringen die Sommerschlappen dorthin zurück. Bei den älteren der parkenden Wagen zeigen sich die Zeichen vieler vergangener Winter: die Flanken wie zerfetzt vom Rost, die Scheinwerfer gelblich stumpf, Nicht Ohne: Winter weiterlesen

Anschluss

Irgendwie hab ich den Anschluss verloren. Fast ein-einhalb Jahre ist es jetzt her, dass ich unter Armors vorgehaltenem Bogen über den großen Teich gestolpert bin. Auch wenn Kanada nicht halb so exotisch und durchgeknallt ist wie China, so ist es doch überraschend, auf wie viele kulturelle und strukturelle Unterschiede man stößt. Ich habe also viel mitzuteilen, was Dich, liebe Leserin oder lieber Leser, vielleicht sogar interessiert. Doch mit jedem Monat, ohne etwas geschrieben zu haben, wuchs der Anspruch, etwas Besonderes, vielleicht sogar etwas Gutes zu verfassen. Heute abend sehe ich der harten, unbamherzigen Wirklichkeit ins Gesicht: Es wird nicht besser, je länger ich warte. Hier also der Anfang, hoffentlich folgt bald mehr. Über Kanada.