Solange sie noch frisch sind: Hier die Eindrücke von ein paar Tagen und gefühlten 50 km Fußmarsch durch Peking:
Ja, sicher, die Dachkonstruktionen von Tempeln und historischen Gebäuden schauen sich sehr schön und bunt an. Sicher sind die Dachformen das architektonische Aushängeschild Chinas, deswegen findet sich wohl an fast jedem wolkenhohen Glaspalast in den neuen Businessbezirken ein geschwungener Dachvorsprung als schmuckes Zierelement. Wer allerdings bei seinem Pekingbesuch den 3. historischen Bau besucht hat, den werden die Dächer allein nicht mehr begeistern. Gut also, dass in allen Reiseführern über Peking zumindest am Rande die Hutongs empfohlen sind, jene engen Gassen, dicht an dicht mit einstöckigen Häuschen gesäumt. Hier findet das Leben mit solch einer Gelassenheit statt, als wären die 12-Spurigen Hauptverkehrsadern der Metropole Kilometerweit entfernt. Tatsächlich scheinen die (auch hier) geschwungenen Dächer den Schall zu schlucken, so dass man im Zentrum einer 15-Millionen-Metropole die Blätter der Bäume im Wind rauschen hört.
Ein Schanze-Äquivalent für Freunde von künstlerischen Dingen und Milchkaffee hat sich auch in solch einem Hutong angesiedelt: Luogu Alley. Wer einige Wochen in China verbracht hat, dem ist klar, dass es Live-Jazz und guten (heisst: kein Dosen-/Instant-) Kaffee nicht gerade an jeder Ecke gibt, und weiss diesen Ort sehr zu schätzen. Besagtes „Livestyleviertel“ ist schmuck renoviert, voller Läden und Denkmalgeschützt. Das trifft auf viele andere Hutongs, die unberührt und unrenoviert geblieben sind leider nicht zu. Obwohl hier und da zarte Pflänzchen des Protests gegen einen geplanten Abriss spriessen, droht vielen Hutongs wohl die Demolierung zugunsten eines neuen Glaspalasts.
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Nachtleben in China
Wäre meine Unsterbliche Seele™ vor meiner Geburt nicht in einen abendländischen Körper eingefahren, sondern in den eines unterdurchschnittlich wohlhabenden Chinesen, könnte meine Abendgestaltung in etwa so aussehen: An einem lauen Abend würde ich im Kreise meiner Freunde auf einem breiten, innerstädtischen Gehweg oder in einer Seitengasse auf niedrigen Klapphockern sitzen und Karten oder chinesisches Schach spielen. Zum essen gäbe es Grillspiesse von einer kleinen Garküche. Dazu würden kalte und eingelegte Salate (ähnlich Kimchi) und reichlich Bier und chinesischer Reisschnaps gereicht. Als Fingerfood wären eingelegte Erdnüsse oder Bohnenschoten die erste Wahl. So sitzend und trinkend liesse es sich bis spät in die Nacht aushalten. Wäre ich einer der überdurchschnittlich reichen Chinesen, sähe der Plan sehr viel westlicher aus: mit teuren Autos in teure Diskotheken fahren, um dort möglichst wirksam sehr teure Getränke zu kaufen (flambierte Gläserpyramiede, Fünfliterflasche Edelvodka, Hauptsache: Auffallen). Die Diskotheken kosten keinen Eintritt und sind vollgestopft mit blinkenden Kronleuchtern, Bildwänden, haufenweise DJs, Livesängern und teils sehr peinlichen Showacts, die wohl besonders unverkrampft wirken sollen. Will man sich an einen Tisch setzen, muss man den erst mieten. Mieten kann man auch die Hinterzimmer, in denen man seine privaten KTV, also Karaoke-Feten zelebriert (Nutten/Koks?). In solchen Clubs kostet ein Bier mitunter soviel, wie der ganze Abend in der Garküche. Die Musik ist eine, meist mit House-Beat unterlegte Mischung aus betagtem Pop, den Clubcharts, Sino-Schlagern und Evergreens. Was in diesen Clubs auffällt, ist der (sonst in China nicht sehr ausgeprägte) Hang zur technischen Perfektion. Beschallung, Beuchtung und Einrichtung sind durchgängig auf vergleichweise sehr hohem Niveau. Die dritte Möglichkeit, den Abend zu verbringen ist, nach Einbruch der Dunkelheit einem Park aufzusuchen. Hier trifft man auf Leute aus allen Altersgruppen, die zu Musik aus mitgebrachten Stereoblastern Formations- oder Standardtänze einüben. (Dazu siehe auch: Sport) Klassisch westliche Bars sind rar und meistens fast ausschließlich von Westlern oder westlich geprägten Chinesen besucht. Ein chinesischer Arbeitskollege mit Ziegenbärtchen, der sich als Verneigung von der skandiavischen Metalszene den West-Namen Sven gab, sagte mir, dass es vor ein paar Jahren, als er noch seine (übrigens durchaus hörenswerte) Metalband (Link folgt!) in Dalian hatte, auch in Shenyang noch einige Musikkneipen gab, diese aber inzwischen geschlossen hätten. In -durch Status oder Geschichte- westlich orientierteren Städten wie Peking oder Shanghai ist das Spektrum der Möglichkeiten für die Abendplanung natürlich ungleich größer. Mehr dazu kommt noch.
Editorial
Dieses Blog wollte ich schon seit Jahren aufsetzen, um endlich als intellektueller Viel-und Querdenker mit aufregendem Lebenswandel entdeckt und gefeiert zu werden. Neben wenig schlauen Einfällen und einem langweiligen Leben hielt mich vor allem meine Faulheit davon ab, meine Gedanken mit der Welt zu teilen. Da ich jetzt zum ersten etliche Wochen China-Aufenthalt hinter mir und zum zweiten vier Stunden Zugfahrt vor mir habe, werde ich diese mal nutzen, meinen ersten Eintrag zu verfassen. Huii!
Für alle, die mich nicht persönlich kennen oder nichts davon mitbekommen haben: Ich arbeite seit August 2010 für ca. 6 Monate in der Volksrepublik China, genauer gesagt in Shenyang, einer Industrie- und Provinzhauptstadt im Nordosten des Landes mit lächerlichen acht bis neun Millionen Einwohnern. Soweit das nicht wieder an meiner Faulheit scheitert, werde ich hier erstmal ein wenig über China schreiben.
Hiermit möchte ich zunächst schließen und Ihnen, geneigter Leserin, geneigtem Leser, an dieser Stelle schon mal für die aufgebrachte Geduld danken.
Ach ja, meine Kommentarspalten sind so Troll-freundlich wie möglich eingestellt, ich bitte also um rege Beteiligung und um reichlich unqualifizierte Kommentare, die ich selbstverständlich hemmungslos zensieren werde, wenn sie mir nicht passen! Danke!